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Generationencafés neu gedacht: Mehr als Rüscherl und Kuchen

Generationencafés neu gedacht: Mehr als Rüscherl und Kuchen

Warum soziale Projekte mit älteren Frauen feministisch gestaltet werden müssen

Das Wiener Projekt Vollpension ist charmant, liebevoll und gesellschaftlich relevant.
Ein Generationencafé, in dem ältere Menschen – oft Frauen – Kuchen backen, servieren, erzählen und damit Altersarmut und Einsamkeit begegnen.
Eine Idee, die berührt. Die Menschen zusammenbringt. Die Sinn stiftet.

Auch in Salzburg hat das Pop-up-Café große Resonanz erfahren. Über 1.000 Besucher:innen in wenigen Tagen sprechen eine deutliche Sprache:
Der Wunsch nach generationenverbindenden Orten ist da.

Und trotzdem lohnt es sich, bei aller Begeisterung einen zweiten Blick zu wagen.

Der feministisch-politische Blick - Wenn das Rüscherl zur Falle wird

Das Bild, das die Vollpension zeichnet, ist liebevoll gemeint: Die „Oma“, die Mehlspeise macht, Geschichten erzählt und ein warmes Lächeln schenkt. Ein wohliges, nostalgisches Bild – doch zugleich auch eines, das ein älteres weibliches Rollenklischee fast unbemerkt zementiert.

Gerade in einem Projekt, das sozialen Zusammenhalt fördern will, wird damit ungewollt ein vertrauter Rahmen wiederholt: Frauen, die pflegen, füttern, zuhören.
Care-Arbeit – unbezahlbar wichtig, aber eben auch unbezahlbar gemacht. Und historisch gesehen stets von Frauen getragen, oft ungewürdigt und unterbewertet.

Wenn wir Frauen in sozialen Projekten wieder dort verorten, wo sie seit Jahrhunderten eingeübt wurden – in der Küche, in der Versorgung, im Nest – dann ist das nicht automatisch falsch. Aber es ist nicht emanzipatorisch. Und es fragt nicht, was noch möglich wäre.

Professionell oder bevormundend?

Die Struktur des Wiener Modells ist als Franchise aufgebaut. Von Wien aus wird gesteuert, kontrolliert, vorgegeben – inklusive Software, Abläufe, Auftreten. Das ist organisatorisch durchdacht, betriebswirtschaftlich effizient und nach außen hin „professionell“.

Aber: Wer definiert eigentlich, was professionell ist? Und wessen Blick prägt dieses Bild?

Die beiden Gründer der Vollpension sind engagierte, kreative Männer, die eine Idee hatten, weil sie ihre Omas so gemocht haben. Und das ist schön. Aber genau darin liegt auch der blinde Fleck:
Das Projekt ist gut gemeint – und reproduziert dabei unbewusst patriarchale Bilder. Die „Oma“ als Gemütlichkeits-Ikone, als Mehlspeiskönigin, als Warmherzigkeitspool.

Nicht absichtlich. Nicht böse. Aber wirksam.
Denn: Auch gut gemeinte Projekte können systemisch konservierend wirken, wenn sie nicht reflektieren, aus welchem gesellschaftlichen Kontext heraus sie entstehen.

Feministische Vision: mehr als Kuchen

Ein generationenverbindendes Café ist eine wunderbare Idee. Aber es könnte viel mehr sein als ein Ort für Kuchen und Gespräche. Es könnte ein Raum sein, in dem das Wissen, die Widerstandskraft und die Vielfalt älterer Frauen sichtbar wird.

Ein Raum, in dem nicht serviert wird, sondern gestaltet. Nicht nostalgisch dekoriert, sondern feministisch inspiriert.

Wie wäre es, wenn es dort:

Workshops zu handwerklichen, politischen, spirituellen Themen gäbe?

Lesungen, Vorträge, offene Diskussionsrunden von und mit älteren Frauen?

Eine Caféstruktur, die flache Hierarchien lebt, Selbstorganisation ermöglicht und regionale Verantwortung zulässt?

Salzburg kann mehr

Vielleicht ist es an der Zeit, solche Projekte nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell neu zu denken.

Nicht als Lizenzmodell mit zentraler Steuerung, sondern als gemeinwohlorientiertes, feministisches Projekt, das sich aus der Region heraus entwickelt.
Mit älteren Frauen als Gestalterinnen, nicht als Klischeeträgerinnen. Mit Fokus auf Vielfalt, Kraft, Erfahrung – nicht auf Rüscherlschürzen und Apfelstrudel.

Denn eins ist klar: Wir brauchen Orte, an denen Generationen sich begegnen. Aber wir müssen sie so bauen, dass alle in ihrer ganzen Tiefe, Vielfalt und Freiheit vorkommen dürfen. Nicht als Rollenbild – sondern als Mensch.


Claudia Lämmermeyer
Matriarchatsforschende, Musikerin, Unternehmerin
Aktivistin für weibliche Selbstwirksamkeit und soziale Innovation

 

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1 Kommentar

  • Catherine

    Das sehe ich sehr ähnlich! Die Vollpension ist zwar eine fantastische Idee, jedoch braucht es noch mehr verschiedene, zwischenmenschliche Ideen für Generationen übergreifendes Gestalten, Leben und Träumen. Ich kratze mit meiner Åhnlroas Ausstellung und die Umsetzung drum herum gerade mal an der Oberfläche und würde mich sehr gerne zu dem Thema austauschen um Ideen weiterzuentwickeln. Mich beschäftigt gerade das Thema „Arts & Health“ sehr stark, ganz besonders „Arts & elderly care“ und auch hier habe ich das Gefühl, dass wir in Ö wieder mal etwas den Anschluss verloren haben… Ich bleibe auf jedenfall dran! Da geht noch einiges mehr!

    Würde mich über einen Austausch sehr freuen! Gerne per Mail, oder auch bei Kaffee 😄🙌 lg, Catherine

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